Fluggastrechte – Ihre Rechte als Fluggast bei Annullierung oder Verspätung von Flügen

Nicht selten beginnt der Urlaub mit Ärger, vornehmlich, wenn auf der Anzeigetafel am Flughafen von delayed/verspätet oder cancelled/gestrichen die Rede ist. Wird man im Stau auf der Autobahn über das Radio noch zeitnah über Grund und Dauer der Verzögerung informiert, so bleibt man am Flughafen nur zu oft mit einem Gefühl der Ohnmacht zurück – eben wie bestellt und nicht abgeholt.

Sicher haben viele von Ihnen bereits von Ersatzzahlungen bei Flugverspätungen gehört, aber Genaueres wissen die Wenigsten. Daher im Folgenden ein kurzer Überblick:

Hintergrund der Ansprüche ist die EG-Veordnung Nr. 261/2004. Diese wurde am 11. Februar 2004 vom EU-Parlament und EU-Rat verabschiedet und trat am 17. Februar 2005 in Kraft. Egal von welchem EU-Flughafen Sie mit egal welcher Fluglinie fliegen oder ob Sie mit einer EU-Airline aus einem Drittstaat in die EU fliegen, egal ob Linien-, oder Charterflug, Billigflug oder der Flug einer Pauschalreise – die Verordnung findet Anwendung.

Bei Nichtbeförderung wegen Überbuchung hat der Passagier Anspruch auf:

  • Erstattung des Ticketpreises
  • frühestmöglicher kostenloser Rückflug zum Abflugort
  • frühestmögliche Beförderung zum Zielort
  • Beförderung zum Zielort zum Wunschtermin (sofern Plätze frei sind)

Darüber hinaus hat die Fluggesellschaft eine Entschädigung zu zahlen:

  • 250 € für eine Flugstrecke kürzer gleich 1500 km
  • 400 € für eine weitere Strecke innerhalb der EU oder kleiner gleich 3500 km
  • 600 € bei Flugstrecken länger als 3500 km

Wird ein Alternativflug angeboten, der – abhängig von der Entfernung – nicht später als 2, 3 oder 4 Stunden nach dem geplanten Flug eintrifft, kann die Gesellschaft die Entschädigung um 50% kürzen.

Menschen mit eingeschränkter Mobilität und deren Begleitpersonen sowie Kinder ohne Begleitung haben bei der Vergabe freiwerdender Plätze Vorrang.

Annullierung

Der Passagier hat Anspruch wahlweise auf:

  • Erstattung des Ticketpreises
  • kostenloser Rückflug zum Abflugort
  • anderweitige Beförderung zum Zielort

Darüber hinaus hat die Fluggesellschaft eine Entschädigung zu zahlen:

  • 250 € für eine Flugstrecke bis zu 1500 km und einer Verspätung von mehr als 2 Stunden
  • 400 € für eine Flugstrecke bis zu 3500 km und einer Verspätung von mehr als 3 Stunden
  • 600 € für eine Flugstrecke größer als 3500 km und einer Verspätung von mehr als 4 Stunden

Die Entschädigungszahlungen werden fällig, wenn

  • die Fluglinie bis spätestens 14 Tage vor Flug den Fluggast nicht von der Annullierung verständigt hat;
  • oder die Information über die Annullierung in einem Zeitraum zwischen zwei Wochen und sieben Tagen vor der planmäßigen Abflugzeit erfolgt und Ihnen ein Angebot zur anderweitigen Beförderung unterbreitet wird, das es ihnen ermöglicht, nicht mehr als zwei Stunden vor der planmäßigen Abflugzeit abzufliegen und ihr Endziel höchstens vier Stunden nach der planmäßigen Ankunftszeit zu erreichen,
  • oder sie werden über die Annullierung weniger als sieben Tage vor der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet und erhalten ein Angebot zur anderweitigen Beförderung, das es ihnen ermöglicht, nicht mehr als eine Stunde vor der planmäßigen Abflugzeit abzufliegen und ihr Endziel höchstens zwei Stunden nach der planmäßigen Ankunftszeit zu erreichen.

Große Verspätung

Für die Soforthilfe ist sowohl ein rechtzeitiger Check-in entscheidend als auch

  • der Abflugort innerhalb der EU und/oder
  • der Zielort innerhalb der EU und eine EU-Fluggesellschaft.

Als Entschädigung sind Mahlzeiten, Getränke, Telekommunikation und notfalls eine Hotelunterkunft inklusive des Transfers zu stellen. Jedoch nur bei einer Verspätung von

  • 2 Stunden und mehr für eine Flugstrecke kleiner gleich 1500 km
  • 3 Stunden und mehr für eine weitere Strecke innerhalb der EU oder kleiner gleich 3500 km
  • 4 Stunden und mehr bei Flugstrecken außerhalb der EU größer 3500 km.

Nach einem im November 2009 gefällten Urteil des Europäischen Gerichtshofs haben Fluggäste auch bei einer Verspätung ab drei Stunden Anspruch auf die oben für Annullierungen benannten Beträge (vgl.(Urteile C-402/07 und C 432/07 vom 19. November 2009).

Eine Erstattung des Flugpreises kommt nicht in Betracht, da der Flug – wenn auch verspätet – angetreten wird. Erst bei einer Wartezeit von mehr als 5 Stunden kommt der Rücktritt vom verspäteten Flug, sowie des Verlangen nach der Rückzahlung des Ticketpreises in Betracht.

Verantwortlich für die Verspätung ist die Fluggesellschaft bereits dann, wenn sie so schlecht organisiert ist, dass kein Ersatzflugzeug beschafft werden kann. Dies ist aus zwei aktuellen und rechtkräftigen Urteilen des Amtsgerichts Königs Wusterhausen, zuständig für am Flughafen Berlin-Schönefeld startende oder landende Flugzeuge- ersichtlich; vgl. Az. 9 C 552/10 vom 14. Januar 2011, sowie Az. 9 C 560/10 vom 15. Februar 2011.

Bei diesem Schadensersatzanspruch besteht der Vorteil darin, dass Reisende einen tatsächlich entstandenen Schaden nicht nachweisen müssen. Vielmehr sind die Beträge der EG-Fluggastverordnung eine für den Fall verschuldeter Flugausfälle angeordnete Pauschale.

Die Airlines gehen mit dem Problem sehr unterschiedlich um bzw. bemühen sich redlich um Ignoranz. Diejenigen unter Ihnen, die wenn etwas schief ging ein Merkblatt mit der Information über ihre Rechte erhalten haben dürften sich eher in der Minderheit befinden. Die Anschreiben von Betroffenen werden vielfach mit Standardformulierungen beantwortet, in denen man die Unannehmlichkeiten sehr bedauert und sich auf außergewöhnliche Umstände beruft. Letzteres ist die Standardausrede vieler Airlines. Demnach sei die Verspätung durch ein sogenanntes „unabwendbares Ereignis“, z.B. eine unvorhergesehene Beschädigung des Flugzeuges durch Vogelschlag eingetreten und es fehle am erforderlichen Verschulden. Ausweislich einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes (Urteil vom 12. November 2009) stellen jedoch technische Defekte, wie sie beim Betrieb eines Flugzeuges gelegentlich auftreten können, gerade keine außergewöhnlichen Umstände dar. Dies gilt selbst dann, wenn alle Wartungsarbeiten frist- und ordnungsgemäß ausgeführt wurden.

Ein Vorgehen gegen die Fluggesellschaften lohnt sich also; schon um zumindest teilweise einen Ausgleich zur oftmals mangelnden Informationspolitik zu schaffen und dem Geschehen ein Stück weit weniger ausgeliefert zu sein. Um einen Anwalt wird man dabei selten herum kommen. Ist jedoch bereits zum Ausgleich aufgefordert worden (bitte mit Fristsetzung) und hat die Airline nicht reagiert oder verweigert den Schadensersatzanspruch schlechthin, dann sind die entstehenden Anwaltskosten als Verzugsschaden ebenfalls durch die Fluggesellschaft zu übernehmen